Pujortarneq inerteqqutaavoq
(oder "Rauchen verboten" auf Grönländisch)

Laura Valenti


Ich befinde mich gerade auf dem Heimflug nach Zürich. Unsere Ferien sind zu Ende gegangen - viel ruhiger als sie begoonnen haben. Denn nur  wenig verlief in diesen Ferien nach Plan.

Am 13. August sind wir vier aufgebrochen, ich von Zürich und die anderen drei von Frankfurt. Getroffen haben wir uns am Flughafen in Reykjavik, dann ging's weiter nach Kangerlussuaq (Grönland).
 Wir wurden mit Zodiacs aufs Schiff gebracht, zusammen mit 85 Passagieren.  Die "Viking Polaris", so hiess dieses Schiff, war ein stattliches,  schönes Schiff. Dennoch fingen nun unsere Probleme an. Ich war von uns  vieren die einzige, deren Gepäck in Kangerlussuaq angekommen war. Die anderen drei waren ohne Gepäck. (Gott sei Dank muss man schon fast sagen, denn die Kabinen waren sehr eng...). Also hiess es Kleider borgen, kaufen  usw. Doch dieses Problem war verhältnismäßig leicht zu lösen.  Was schwer oder gar nicht zu lösen war, war die Tatsache, dass das Schiff wenige Tage vor unserer Ankunft Bodenkontakt gehabt hatte (aus Versehen versteht sich), sich so ein Leck zugezogen hatte und daher Kangerlussuaq gar nie verlassen konnte... Leider konnten Marinetaucher das erst nach drei Tagen definitiv feststellen. Und so sind wir zu  drei tollen, ausflugreichen Tagen in Kangerlussuaq gekommen. Die Reise wurde abgebrochen, das Geld zu 100% rückerstattet.  Während sich die meisten Mitpassagiere mit meckern und sich aufregen  ihre Zeit totschlugen haben wir vier Alternativreisepläne geschmiedet. Und so sind wir via Kopenhagen (wir mussten aus wahrscheinlich  versicherungstechnischen Gründen alle Grönland verlassen und wurden nach  Dänemark ausgeflogen) nach Kangerlussuaq zurück und weiter nach  Ilulissat zurückgekehrt. Und so haben unsere richtigen Ferien begonnen.

In Ilulissat waren wir sechs Tage. Das ist ein Ort auf halber Höhe der Westküste. Das Dorf hat 4800 Einwohner und liegt am spektakulären Isfjord.  Grönland besteht ja zum größten Teil aus Inlandeis, das bis zu 3000 m dick ist. Dieses Eis geht an der Küste in Gletscher über. Es gibt nur wenige Orte, wo sich diese Gletscher direkt ins Meer ergiessen.  Einer dieser Orte ist Ilulissat. Der Gletscher fließt in den Isfjord, dort ist die Abbruchkante, dann schwimmen riesige Eisberge den 42 km langen  Fjord bis zur Küste. Dazu benötigen sie ein volles Jahr. Die Eisberge sind riesig, bis zu 100 m hoch. Man bedenke aber, dass sich 4/5 des Eisbergs unter Wasser befinden... Diese Eismassen sind wirklich unglaublich groß.



In Ilulissat haben wir in der Jugendherberge gehaust. Kurz nach unserer  Ankunft haben wir eine dreistündige Bootsfahrt mitten im Isfjord gemacht; bei Sonnenuntergang waren diese spektakulären, majestätisch aussehenden Eismassen unbeschreiblich. In großem Staunen, fast Ehrfurcht saßen wir im Boot, links und rechts von uns nur Eisberge. Ich kam mir so winzig klein vor. "Wenn ein Eisberg entzwei bricht oder sich kehrt, sehen wir  ziemlich alt aus..." ging es mir durch den Kopf.

Am folgenden Tag war wieder eine Bootsfahrt angesagt. Diesmal ging es nach Ilimanaq, einem 80-Seelen Dorf südlich des Isfjords. Dieser Ort ist während sechs Monate im Winter von der Aussenwelt weder via Wasser noch via Land erreichbar. Nur per Helicopter ist es möglich nach Ilulissat zu gelangen und dies ist für die Inuit fast nicht zu bezahlen. Dieser Ort hat mich sehr beeindruckt. Auf der ganzen Fahrt dorthin hat es  geregnet, wir waren durchnässt und haben uns nach einem warmen Tee  gesehnt. Doch im ganzen Ort gab es kein Cafe. Es gab lediglich einen Supermarkt, im Zimmer nebenan war die Post. Die Kirche und Schule fehlten natürlich auch nicht. Wir sind durch den ganzen Ort gestapft und haben  verzweifelt eine Toilette gesucht. Nach etlichem Fragen hat man uns ein  braunes Haus gezeigt, dieses war gar nicht angeschrieben, auch nicht mit   Toilette (das grönländische Wort für Toilette würde sicher aus 20  unaussprechlichen Buchstaben bestehen). Wir haben geklopft:  keine Antwort. Zaghaft haben wir schließlich die Türe geöffnet und  hineingespäht. Da haben wir nicht schlecht gestaunt: Da war ein Raum mit Duschen, Waschmaschinen und Toilette!  Da nicht jedes Haus fließendes  Wasser hat, braucht's ein Waschhaus mit fließendem Wasser und der  Möglichkeit sich und die Kleider zu waschen.
Ich habe viel Achtung gewonnen vor den Inuits. Jetzt ist Sommer und für die Einheimischen eine total unproblematische Zeit. Was muß es erst bedeuten im Winter (bei -42 Grad, ohne Windchill wohlbemerkt)  so abgeschnitten von jedem anderen Ort zu leben? Unvorstellbar! Hut ab!

Am nächsten Tag waren wir mit dem Helicopter unterwegs. Der Isfjord von oben, bei schönem Wetter durch die Eisberge im Zigzagkurs zu fliegen und die Landung am Inlandeis waren wirklich ein Erlebnis (auf dem Eis  kann man nicht landen, das wäre zu gefährlich). Helicopterfliegen ist sowieso toll, wir waren in einer kleinen Maschine unterwegs, auf dem Hinflug sass ich vorne neben dem Captain und hatte so eine super Aussicht. Nach dem Flug waren wir total erschlagen vor lauter Eindrücken.

Am nächsten Morgen sind wir zu einem ganztägigen Bootsausflug zu einem  anderen Gletscher aufgebrochen. Die Fahrt dorthin dauerte fast drei  Stunden und war sehr schön. Der Gletscher selbst war 40 m hoch und  imposant. Der Skipper hat den Motor abgestellt und in totaler Ruhe, mitten in Eisschollen diese Gletscherwand zu sehen, war beeindruckend. Vor dieser Kulisse haben wir zu Mittag gegessen. Es wurde viel berichtet  über das Inlandeis, die Entstehung von Gletschereis, Eisbergen etc. Und zum krönenden Abschluss haben wir (wie bei jeder Bootsfahrt) einen Martini mit tausendjährigem Gletschereis getrunken. Sogar ich habe  mitgetrunken. Wieder ein erlebnisreicher Tag.

Unseren letzten vollen Tag in Ilulissat haben wir mit einer erneuten  Bootsfahrt im Isfjord beendet. Diesmal sind wir tagsüber bei strahlend blauem Himmel gefahren. Diese Eisberge sind bei jeder Tageszeit so  beeindruckend und mit jedem Licht so anders. Bis zum letzten Tag  hatte ich das Gefühl zu träumen; wenn ich mit dem Finger schnippe  sind die Eisberge weg... Es ist schlicht unfassbar, dass derartige Eismassen im Meer - vor meiner Nase - umherschwimmen! Welch ein Privileg, so etwas erleben zu dürfen! Diesen Abschlußtag haben wir  mit einem krönenden, sehr guten Essen im Arctic Hotel beendet. Wir saßen am Fenster und vor unseren Augen lag die Bucht mit all den Eisbergen. Wir haben uns halb zu Tode fotografiert. Überhaupt scheinen meine diesjährigen Bilder hauptsächlich aus Eisbergen zu bestehen...!
Am Sonntag haben wir uns auf eine Fähre eingeschifft. Die Arctic Umiaq Line ist eine Art Hurtigrute Grönlands. Sie fährt an der Westküste zwischen Ilulissat und Narsarsuaq (einem 160 Seelen-Ort an der Südspitze  Grönlands). Die Faht dorthin dauerte drei Tage. Es tat gut, die vielen Eindrücke verarbeiten zu können, einfach Ruhe zu haben, an den Halteorten  auszusteigen und die Ortschaften zu besichtigen. Längere Aufenthalte  hatten wir in Sisimiut, Nuuk und Qaqortoq. Auf dem Schiff (dieses fuhr wenigstens!) waren überwiegend Grönländer. Vor allem die Fußballmannschaft schien Spaß an der Schifffahrt zu haben. Und so ging's abends meist recht turbulent und lustig zu.



Narsarsuaq haben wir um elf Uhr abends erreicht. Dies ist eine ehemalige  Militärbasis der Amerikaner. Diese haben 1952 den Ort verlassen. Das  Dorf besteht aus dem Hotel, Supermarkt, Museum und ein paar Häusern. Und natürlich dem Flughafen.
Auch hier haben wir selbstverständlich einiges unternommen: Wieder einen Helicopterflug zum Inlandeis. Das Inlandeis ist zwar immer noch dasselbe,  denn es durchquert ja die ganze Insel von Nord nach Süd aber die  Landschaft ist im Süden total anders: Es hat Berge, Fjorde, die Landschaft  erinnert etwas an Norwegen. Hier hat es immerhin Bäume, wenn auch nur wenige cm hohe...!
Auch hier hat es Eisberge, wenn auch kleinere als in Ilulissat. Und sie sind blau, nur wenige sind weiss. Der Heliflug hat Spaß gemacht und war beeindruckend. Danach haben wir eine Bootsfahrt durch einen  Fjord mit Eisbergen gemacht. Schon wieder Eisberge, könnte man meinen. Doch diese hier sind so anders, aber nicht weniger schön.  Auch hier gab's den obligaten Martini...
Und zum Schluss dieses ereignisreichen Tages haben wir noch Ruinen und Rekonstruktionen einer Wickingersiedlung (der ersten Grönlands) vom Jahre 982 besucht. Dies hat mich fast am meisten beeindruckt. Die Wickinger waren vor den Inuits hier, haben Grönland  aber um 1500 wieder verlassen (Oder sind sie ausgestorben? Man weiss es nicht).
Zum Glück haben wir an dem Tag soviele Ausflüge germacht, denn der folgende Tag war total verregnet, so dass außer einem Museumsbesuch  nichts zu unternehmen war.



Und nun sind unsere Ferien zu Ende. Via Kopenhagen (Wie könnte es auch anders sein?) fliegen wir nun nach Hause.
Grönland ist so anders als Spitzbergen: Imposanter sind die riesigen  Eismassen, die Inuits, die wahre Überlebenskünstler sind.  Die immer jaulenden Schlittenhunde, die zu tausenden in jedem Ort (ausser im Süden) leben. Oft hat es in einem Dorf zehn mal mehr Hunde als Menschen!

Mir haben aber all die anderen Tiere gefehlt: Vögel gab es nur sehr wenige,  wenige Wale haben wir vom Schiff aus gesehen, wenige Rentiere und  Moschusochsen in Kangerlussuaq. Keine Robben, keine Eisbären, keine  Polarfüchse, keine Walrösser. Grönland ist anders, aber sicher imposant - und den Norden des Landes, dort , wo wir mit der Viking Polaris hätten hinfahren sollen, müssen wir ein nächstes Mal entdecken. Diesmal aber mit einem anderen Schiff.



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